Samstag, 11. Februar 2023

Viele Köche verderben den Brei

Viele Köche verderben den Brei

Mutter hat immer nur Arbeit und Plag,
kennt keine Ruhe bei Nacht und bei Tag.
Heut ging sie fort! Drum helft alle drei:
Heut kochen wir für die Mutter den Brei!

Milch nimmt die Else, das Mehl rührt sie an.
Dann kommt der Zucker und Zimt noch dran.
Pfeffer, ein bisschen, ein klein wenig Salz,
Muskat und Senf und ein Löffelchen Schmalz.

Eissig ein Spritzerchen muss noch hinein.
Kakaopulver schmeckt herrlich und fein.
Nun wird gerührt und der Brei gekocht
Horcht! Hats nicht grad an der Tür gepocht?

Komm liebe Mutter, der Tisch ist gedeckt!
Ja, du wirst staunen, wie gut es dir schmeckt.
Und was du für tüchtige Köchinnen hast.
Heut bist du bei uns Kindern zu Gast!?

Mutter probiert und beinah wird ihr schlecht.
Fehlt was am Brei? Ist etwas nicht recht?
Da lacht die Mutter, spricht mahnend dabei:
Ja, viele Köche verderben den Brei!

(Annette von Droste-Hülshoff 1797-1848)

Fragemäulchen

Fragemäulchen

Du holdes Fragemäulchen, süsse Plage,
Komm nur, du lieber Störer meiner Ruh;
Geduldig leih ich Antwort jeder Präge:
"Warum, Papa? Wohin? Weshalb? Wozu?"

Keimt doch empor in jenem dunklen Triebe
Der Baum, der einst in Gottes Sterne ragt,
Das heilge Sehnen, das in Weh und Liebe
sich bis zum Urquell alles Daseins fragt

(Julius Lohmeyer, 1834-1903)

 

Zu zweit

Zu zweit

Frau Urschel teilte Freud und Leid
mit ihrer lieben Kuh

Sie lebten in Herzeinigkeit
ganz wie auf Du und Du.

Wie war der Winter doch so lang,
Wie knapp ward da das Heu;

Frau Urschel rief und seufzte bang:
O komm, du schöner Mai!

Komm schnell und lindre unsre Not,
der du die Krippe füllst;

Wenn ich und meine Kuh erst tot,
dann komme, wann du willst.

Wilhelm Busch

 1832-1908

Das Leben ist ein schlechter Spass

Das Leben ist ein schlechter Spass

Das Leben ist ein schlechter Spass,
dem fehlts an dies, dem fehlts an das,

der will nicht wenig, der zu viel,
und Kann und Glück kommt auch ins Spiel. 

und hat sich's Unglück drein gelegt,
jeder, wie er nicht wollte, trägt.

Bis endlich Erben mit Behagen
Herrn Kann-Nicht-Will nicht weiter tragen.

Johann Wolfgang von Goethe, 

1749-1832

Die Gäste der Buche

Die Gäste der Buche

Mietegäste vier im Haus
hat die alte Buche.
Tief im Keller wohnt die Maus,
nagt am Hungertuche.

Stolz auf seinen roten Rock
und gesparten Samen
sitzt ein Protz im ersten Stock;
Eichhorn ist sein Namen.

Weiter oben hat der Specht
seine Werkstatt liegen,
Hackt und zimmert kunstgerecht,
dass die Späne fliegen.

Auf dem Wipfel im Geäst
pfeift ein winzig kleiner
Musikante froh im Nest.
Miete zahlt nicht einer.

Rudolf Baumbach

1842-1905

Vom Riesen Timpetu

Vom Riesen Timpetu

Psst! Ich weiß was. Hört mal zu!
War einst ein Riese Timpetu. 

Der arme Bursche hat – oh Graus –
im Schlafe nachts verschluckt ne Maus.  

Er lief zum Doktor Isegrimm:
„Ach Doktor! Mir gehts heute schlimm.

Ich hab im Schlaf ne Maus verschluckt,
die sitzt im Leib und kneipt und druckt.“

Der Doktor war ein kluger Mann,
man sahs ihm an der Nase an.

Er hat ihm in den Hals geguckt.
„Wie? Was? ne Maus habt ihr verschluckt?

Verschluckt ne Miezekatz dazu,
so lässt die Maus euch gleich in Ruh.“

 

Alwin Freudenberg

1873-1930

Das Lied vom Mond

Das Lied vom Monde

Wer hat die schönsten Schäfchen?
die hat der goldene Mond,
der hinter unseren Bäumen
am Himmel drüben wohnt.

Er kommt am späten Abend,
Wenn alles schlafen will,
hervor aus seinem Hause
zum Himmel leis' und still.

Dann weidet er die Schäfchen
auf seinem blauen Flur;
Denn all die weißen Sterne
sind seine Schäfchen nur.

Sie tun sich nichts zu Leide,
Hat eins das andere gern,
und Schwestern sind und Brüder
da droben Stern an Stern.

Und soll ich dir eins bringen,
so darfst du niemals schreien,
musst freundlich wie die Schäfchen
und wie ihr Schäfer sein!

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 

1798-1874